BETE

Eigentlich ist es unsinnig, das bete, also die Gesundheitspflege, als besondere Aufgabe betrachten zu wollen. Krankheit oder Gesundheit sind nima-abhängig, also ein Aspekt der ganzen Lebensweise. bolo'bolo selbst ist schon das wichtigste bete, denn es fallen viele Krankheiten weg, die direkt oder indirekt Folgen der Arbeitsgesellschaft sind: Verkehrsunfälle, industrialisierte Massenkriege, stress- und umweltbedingte Krankheiten, viele Berufskrankheiten und -unfälle, psychische Krankheiten.

Die bolos bestimmen (abgesehen von Epidemien) selbst, was sie unter krank oder gesund verstehen wollen. Falls ihnen rituelle Verstümmelungen und Schönheitsnarben gefallen, hindert sie niemand daran. Definitionen von verrückt oder normal verlieren jeden Inhalt. Sie entscheiden auch über die Art von Medizin, die sie praktizieren wollen. (16)

Jedes bolo wird einfachere Verletzungen und häufige Erkrankungen selbst behandeln können. Es kann dafür eine bolo-Klinik einrichten und einige besonders erfahrene ibus damit betrauen oder in Bereitschaft halten. Es gibt vielleicht ein Kranken-Haus, wo man die 200 gängisten Medikamente, einige Pflegezimmer, Verbandsmaterial, Notfallausrüstung und Transportgeräte bereit halten wird. Der Rahmen des bolo erlaubt es, Kranke und Gesunde nicht mehr trennen zu müssen (eigentlich sind ja alle ibsu immer krank und gesund zugleich). Bettlägrige, Chronischkranke, Alte, Gebärende, Geistesschwache (z.B. Mongoloide), Invalide, bleiben in ihrem bolo und müssen nicht in Anstalten isoliert werden. Die Konzentration und Isolation arbeitsunfähiger ibus in Krankenhäusern, Altersheimen, Irrenhäusern, Erziehungsanstalten usw. ist eine Folge der Schwäche der Kleinfarnilie, die schon so zwischen Arbeit und Haushalt durchrationalisiert ist, dass sie keine «Störungen» mehr verträgt. Schon Kleinkinder werden für sie zu einem Problem.

Es ist aber auch möglich, dass bestimmte bolos aus einer Krankheit oder einem «Defekt» eine (positive) Lebensweise machen. Es sind Blinden-bolos vorstellbar, wo alles auf die Bedürfnisse von Blinden ausgerichtet ist. Es sind auch enge Verbindungen zwischen Blinden- und Invaliden-bolos denkbar, oder Taubstummenbolos, wo alle ibus miteinander stumm über die Fingersprache verkehren. Vielleicht gibt es auch «verrückte» bolos, wo alles verkehrt abläuft (am Morgen geht man zu Bett, alle gehen rückwärts, Schwarze schminken sich weiss und umgekehrt usw.). Diabetiker, Asthmatiker, Bluter, Epileptiker, Depressive und Paranoiker können sich im bolo ihr eigenartiges Universum einrichten - oder es aber auch bleiben lassen.

Neben den bolos können sich auch Nachbarschaft und Bezirk mit bete befassen. Für schwere Unfälle, komplizierte Krankheiten und die Verhütung von Epidemien wird es ein abgestuftes System geben, das auch den Zugang zur «Spitzenmedizin» (auf Stadtoder Regional-Ebenen) möglich macht, wenn die ibus dies wünschen . Der gesamte Aufwand für dieses bete-System wird aber unvergleichlich kleiner sein als heute für das Spitalwesen. Gerade weil ergeringer ist, wird auch der Einsatz von Ambulanzen, Helikoptern und Flugzeugen durchaus sinnvoll sein können.
Zwar bestehen gute Chancen, dass es uns gesundheitlich besser gehen wird als heute. Doch können Gesundheit und langes Leben nicht als allgemeine Werte dekretiert werden. Heute geschieht dies ja auch nicht aus Humanismus, sondern weil beides Arbeitsfähigkeit bedeutet und profitabel ist. Es gibt Naturvölker, wo das Leben nur kurz ist, dafür anderweitig interessant - und es gibt andere, deren Tradition den «Wert» langes Leben kennt (z.B. die oft erwähnten himalayischen Hunzas). Genauso wird es in den bolos sein. All das ist keine Frage der Medizin, sondern der Selbstbestimmung.




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