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Milchkaffee


Ich saß morgens beim Milchkaffee, als ich SIE entdeckte. Die junge Liebe auf meiner Spüle. Zwei Teetassen hatten sich ineinander verguckt. Es war ganz eindeutig. Sie standen da im zarten Licht des anbrechenden Tages und ließen sich nicht einmal vom Chaos um sie herum stören. Nicht durch den ranzigen Geruch der zerschmolzenen Butterreste vom Frühstück, das eine Woche zurücklag, und nicht durch den morastigen Spülschaum aus Tomatensauce und Nudelresten.

Sie waren verliebt beieinander, berührten sich sanft an den Rändern und die eine Tasse hatte zärtlich ihren Henkel um die Seite der andern gelegt. Junge zarte Liebe. Unzerstörbarer Zauber der Romantik. Und in dem salutierenden Geplatsche des Wasserhahnes konnte ich deutlich die Worte hören: Ewiglich – Immer – Niemals – Glücklich – Vertrauen.

Aus der klebrigen Öffnung des Geschirrspülmittels (natürlich umweltfreundlich) stiegen bunt schillernde Seifenblasen, und zerplatzten nicht sofort. Die umherfaulenden Teeblätter hatten noch einmal alle ihre Kraft gesammelt und erzählten – bewegt von den Ereignissen – die Geschichten des Windes vom fernen Himalaja.

Das Schicksal ließ sie noch einen Moment in ihrem Traum, die kleinen Romantiker. Doch dann ließ sie mein Bewußtsein im warmen Naß des Spülwassers ertrinken. Kalte, graue Leblosigkeit. Die Liebe ist im Spül ersoffen.

Wo ist der Unterschied zwischen der Wirklichkeit und dem Bewußtsein der Phantasie? Ich erschaffe Welten und zerstöre sie. Spiegelwelten. Welt aus Glas. Realität und Unwirklichkeit. Aber es gibt Schnittpunkte, in denen sie aufeinander treffen.



 


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© baraka | bernd schach